“Auf dem Jakobsweg durch die Schweiz” – Erlebnisbericht

Rezensionen

«Esther Zaugg hält in ihrem Buch Erlebnisse fest, die sie im Hochsommer 2018 auf ihrer Pilgerwanderung durch die Schweiz gemacht hat. Der Tag, an dem sie, ohne lange Vorbereitung, in Konstanz aufbricht, ist der Beginn einer langanhaltenden Hitzewelle mit Temperaturrekorden von 40 Grad – Bedingungen, die die Pilgerin unterwegs mehrmals zum Verzweifeln und physisch an ihre Grenzen gebracht haben. Von allen Pilger-Tagebüchern, die ich kenne, hat mir Zauggs Erlebnisbericht bis heute das grösste Lesevergnügen bereitet: humorvoll, witzig, selbstironisch, frisch von der Leber weg, authentisch erzählt sie ihre Pilgerreise, die sie allein unternommen hat. Die Schilderungen, flüssig geschrieben, machen die Leserschaft gleichsam zu Mitpilgernden, die sich mitfreuen und mitleiden.

Breiten Raum nimmt die Beschreibung von überraschenden Begegnungen unterwegs ein, sei es mit anderen Pilgernden oder mit Ortsansässigen. Immer wieder ist Esther Zaugg überwältigt vom herzlichen Empfang und der grosszügigen Gastfreundschaft, die sie von Privaten erfährt, bei denen sie spontan zum Mittagessen eingeladen wird oder die sie beherbergen. Öfters verschafft sie ihrer Verärgerung Luft, etwa wenn ihr Pilgerführer Fehlinformationen liefert. Über die geradezu „mörderische“ Hitze stöhnt sie: Diese Hitze stinkt mir jetzt wirklich! Ich habe sie sowas von satt! Kurze Zeit später ist die Welt für sie wieder in Ordnung: Mit wenigen Schritten bin ich beim Brunnen, und dann ist Weihnachten! Ich hänge mich an den Hahn … Herrlich, ich bin wieder ein Mensch! Über ihren Rucksack, kurz R genannt, schreibt sie: Mein fauler Kumpel ‚Rucksack‘ ist mir mittlerweile nicht nur an den Rücken, sondern auch schon so ans Herz gewachsen, dass er mir zu einem stillen Weggefährten geworden ist … »

Otto Dudle, Rezensent, Lektor Zeitschrift ULTREÏA, Winterthur (2020)